Teilnehmerbericht von Willfried Achilles, 2010 Link zum Verfasser www.ksk-web.de
Der Kibo
musste 50 Jahre warten
Im Oktober 1961 träumten in den sächsischen Affensteinen
in einer Boofe einige Jugendliche von den Dächern der Welt. Sie entdeckten
gerade ihr Interesse am Klettersport. Vom Matterhorn und Rosengarten war die
Rede. Als Fakt dagegen stand der 13. August 1961. |
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Zwei Monate vor seinem 65. Geburtstag, im Oktober 2009
machte Willi ernst. Zuerst begeisterte er in seinem Verein Reha-Sportler und
Karateka davon: Wir gehen auf den Kibo und wer kommt mit? Schließlich fand
sich unsere Gruppe von 8 Mann/Frau. Es wurde recherchiert, Hochglanzwerbungen vom Kibo,
Literatur und Bekannte, die schon auf dem Gipfel waren, befragt. Eine Anfrage
in unserer Geschäftstelle der Sektion Berlin des DAV: „ Ja, wir haben da den
Klaus, den Bergklaus, der war schon ein paar mal oben und der macht auch
Ausbildungen am Berg.“ Klaus wurde angerufen und zum Kennenlernen eingeladen.
Beide Seiten stellten fest, die Chemie stimmt. Theorie über die Höhe,
konditionelle Voraussetzungen, Ausrüstung und praktisches Training bestimmten
die nächsten 12 Monate. Einige absolvierten medizinische Leistungsteste.
Nicht für die Höhentauglichkeit, in der Ebene können keine Aussagen zur
Höhentauglichkeit gegeben werden, sondern zum Feststellen des momentanen
physischen Leistungsstandes. Ein Oxymeter zur Bestimmung des
Sauerstoffgehaltes des Blutes wurde angeschafft. Leichtes Lächeln, denn beim
Training in unseren märkischen Wäldern schwankte die Sauerstoffmessung
zwischen 99% und 93%. Betrachtet man den Toleranzbereich der Geräte, so
trafen die Werte keine Aussage. Dann fuhren wir in die Dolomiten. Abends Start in Berlin, im Morgengrauen am Zielort schlafen, tagsüber Aufstieg/Wanderung auf 1600m zur Hütte. Das macht man doch mit links, noch ein wenig höher und tiefer schlafen. Beim Sauerstofftest lächelte jetzt keiner mehr. Alle Teilnehmer unter 90 %. Das hätten wir nicht gedacht. Eine erste Erkenntnis: Das gefühlte Befinden sagt nichts über den Sauerstoffgehalt aus! Am nächsten Morgen befanden sich alle wieder im optimalen Sättigungsbereich. Am Kibo werden wir bestimmt den Sauerstoffgehalt kontrollieren.
In den Beschreibungen vom Aufstieg zum Kibo ist immer
wieder die Rede davon, dass die Mitnahme von Lektüre empfohlen wird, wegen
der Langeweile. Andreas, von Beruf Elektronikfreak mit einem etwas trockenem
Humor, meinte: „Wozu lesen, ich kann mir vorstellen, dass man sich einfach
unterhält, so von Mensch zu Mensch, ohne Handy!“ Im Übrigen bereitete sich
Andreas durch Drachenfliegen, Radfahren und Kampfsporttraining vor. |
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Andere fuhren
im Dezember zum Kap Arkona und rannten die blöden Treppen bei Regen hoch und
runter. Der Brocken im Harz wurde mehrfach belagert. Und wegen der Langeweile entschieden wir: Wir gehen nicht
nur auf den Kilimanjaro, sondern wir machen in Tansania ein Höhen-
trainingslager. Gesundheitssport und festgelegte Formenübungen sollten darüber Aufschluss geben, was unser „Bewegungsangebot“ der Ebene hoch oben für einen Wert hat. Gut vorbereitet ging die Fahrt am 13. Oktober 2010 früh zum Flughafen Tegel los. Eine Saukälte herrschte, aber wir trösteten uns: Wir reisen ja nach Afrika. Was sich als großer Irrtum herausstellen sollte. |
Ohne langes Suchen fanden wir Kontakt zu einem unserer späteren Guides und zum Bus. Ein chinesisches Fabrikat. Ein normaler Bus für etwa 20 Personen. Na, nicht ganz normal. Der Bus hatte vermutlich aus Kostengründen keinen Anlasser und unsere neuen Weggefährten schoben den Bus mit uns einfach an. |
Dann nahmen alle Platz. Irgendwie rumpelten wir eine
Stunde durch die Dunkelheit und kamen in Moshi im „Sal Salinero“, einem
hübschen und weitläufigem Hotel an.
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Blick zu den Zimmerbungalows der Hotelanlage |
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In der Lodge auf ca. 2000 m bezogen wir Quartier, aßen, übrigens gut und unseren Geschmack treffend. Dann trainierten wir einige Höhenmeter aufwärts, Abstieg, und haben anschließend den Abend mit Essen und Aufenthalt in der Bar verbracht. Start am nächsten Tag. Frühstück, Sachen packen, das heißt eigenes Gepäck bündeln und 8 kg an die Träger oder Porter. Über die gesamte Tour wurden immer wieder die Leistungen der Porter bewundert. 20 kg / Person irgendwie auf dem Kopf, im Nacken und ab und zu einem Rucksack. Selbst zierliche Frauen, Körpergewicht (deutlich unter 50 kg) waren dabei. Davon abgesehen, dass auf Dauer diese Strapazen an den Lebenskräften nagt: „Bandscheibenprobleme kennt man dort nicht“. |
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Ja, wir wollten dann los. Nun tauchte jedoch ein nicht unerhebliches bürokratisches Problem auf. Hier oben schon recht zurückgezogen von der Stadtwelt, existiert ein technisches Gerät. Dessen Grundbauweise entspricht dem eines Fahrkartenschalters. Allerdings mit der Ausnahme, dass keine Fahrkarten heraus kommen, sondern Genehmigungen zum Betreten des Nationalparks. Sollte so sein. Das Ding war aber kaputt, ein Nationalfeiertag dazu und keiner kam in den Park! Um die Touren doch noch durchführen zu können reiste, nicht am Feiertag danach, ein wichtiger und besser gekleideter Beamter vom Haupteingang um den Berg herum an. Ob Requisite, Schutz vor wilden Tieren oder zur Verdeutlichung, wer hier die Macht hat, baumelten einige Kalaschnikows am Begleitpersonal. Es ist nun einmal das meist verkaufte Sturmgewehr der Welt. Trotzdem konnten wir rechtzeitig, so gegen Mittag, los. |
Für uns, die gewöhnt waren, alles auf Tour selbst zu tragen, war
es schon gewöhnungsbedürftig für 9 Personen 35 Guides und Porter als
Begleitung zu haben. Der Aufstieg einfach, normale Wanderung. Sauerstoffsättigung 98 %. Was uns ein wenig Sorgen bereitete war, dass es
bereits kühler wurde als vorgesehen. Der Himmel bewölkte sich und nachts
regnete es. Die Nacht erlebte jeder von uns unterschiedlich. Noch gab
es keine Gründe, erschöpft tief und fest zu schlafen. Im Laufe eines
Wanderlebens hat jeder so seine Erfahrungen. So gilt im Allgemeinen, suche
dir dein Zelt so, dass es, wenn du mal musst, weil du musst, in freier Linie
und nicht zu weit zur Toilette entfernt liegt. Aus einem Tagebuchbericht: „Am
Kibo nicht empfehlenswert!“ |
Am Morgen strahlender Sonnenschein und zum ersten Mal in Sichtweite: der Kili. Trotz für diese Höhe erstaunlich gutem und liebevoll zurecht gemachten Frühstück, platzte Claudia mit Schei….! raus. Dazu ein notwendiger Einschub. Claudia probierte seit über einem Jahr Bergschuhe aus und hatte immer böse Blasen. Kurz vor dem Abflug testete sie noch einmal Mutters Schuhe im Gebirge und befand sie für optimal. Die trug sie jetzt. Blasen bekam sie nicht, dafür hatten die Schuhe getrennte Sohlen mehr! Der Weichmacher verflüchtigte sich. Ohne Namen zu nennen, soll es ja einige Schuhmarken geben, bei denen das passiert. Claudia borgte sich Sandalen und ging mit ihnen zum nächsten Camp. Dass ab Mittag ein 4 stündiger Regen einsetzte, nur am Rande. In unseren Stiefeln stand das Wasser, während in den Sandalen das Wasser ablaufen konnte. Ein wenig beunruhigt dachten wir daran, wie wir in den nächsten 2 Tagen die Sachen trocken bekommen sollten. Ging dann aber besser, als wir dachten. |
Der anfänglich provisorisch geklebte Schuh |
Auf 3600 m zeigten sich bei den ersten Kopfschmerzen und
Horst lag mit Kreislaufproblemen flach. Es hinderte uns jedoch nach Ankunft
im Camp nicht, noch einmal höher zu steigen und unser Training zu
absolvieren. Ab hier waren die Guides fest im Training mit eingebunden. Da
Kampfsporttraining in Tansania sehr teuer ist, waren sie sehr erfreut, dass
Willi ihnen einiges lehrte. |
Am nächsten Tag durch die Kibo Wüste gab es erste
Schwierigkeiten. Einige erwischte es mit Magen-/Darmproblemen. Kopfschmerzen
traten unterschiedlich stark auf. In der „School Hut“, 4700 m, angekommen,
wurde diesmal nicht im Zelt geschlafen. Auch sehr schön, essen und schlafen
ohne Einengung. Bei unserem täglichen Training spürten wir die ersten
Luftprobleme. |
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Abends ins Bett und 23.00 Uhr aufstehen. Puls
und Sauerstoffgehalt gerieten durcheinander. Der niedrigste Sauerstoffgehalt
53%. Beim Start um 24:00 Uhr trennte sich auch sofort die Mannschaft: Die
einen stiegen schneller und die anderen gingen deutlich langsamer. Zwei stiegen
bis zur Meier Höhle 5200 m auf und von da aus ab, bevor es zu ernsten
Problemen kam. Die anderen stiegen auf zum Gilmanspoint auf 5650 m und bis
zum Gipfel 5895 m. |
Das ist eigentlich das Wesentlichste der Kilimanjaro
Tour. Sollten die Leser einmal mit Teilnehmern einer Kibotour sprechen,
achtet einmal darauf was erzählt wird. Bis auf die letzten 2 Tage wird viel
und umfangreich berichtet. Vom Aufstieg, er war schwer, man ist müde und die
Guides stellen einen am Gilmans Point auf und machen Fotos, ist nichts mehr
im Gedächtnis. Es gehört schon viel Selbsteinschätzung dazu zu merken, wann
der Verstand aussetzt, um davor richtige Entscheidungen zu treffen. Kathrin berichtete von einem Mädchen einer
nicht genannten Nation. Sie flegelte sich auf einen Stein, telefonierte in
die Weiten der Welt und befahl ihrem Guide, der sie hoch geschleppt hatte, er
soll ihr die Schuhe ausziehen. |
Am Gipfel |
Jedenfalls einige machten, wie schon vor der Fahrt besprochen, in 5895 m Höhe am Uhurupeak unsere Übungen, wobei der Kameramann während des Filmens einschlief. Es ging dann die Coca Cola Route, heißt wohl offiziell anders, bergab. Ein Dankeschön an Klaus, der uns den Aufstieg über diese Route ersparte. An der Kibohütte gabs etwas zu Essen, dann wurde tief und fest eine Stunde geschlafen und ab ging es zum Horombo Camp 3700m. Hier rannten einige von uns vergnügt bergabwärts. Was von den Portern, die hoch und runter eilten, mit einem freundlichem Jambo, Jambo quittiert wurde. Zu viele schleichende Gespenster sehen sie auf der Route. Übrigens einer der beiden, die nicht am Gipfel ankamen, war Willi. Sein Traum, den Kibo zu besteigen, ging nicht in Erfüllung. |
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Wir sind aber der Meinung, er
wollte den Kilimanjaro als letztes Ziel besteigen und da wird er wohl noch
eine Weile warten müssen. Möglicherweise fliegt er im nächsten Jahr nach
Tansania. Nicht zum Sack abhängen, sondern sollten die Guides und Porter ihre
Schularbeiten über die Regenzeit machen, wird er ein Karate-Trainingslager
bei ihnen durchführen.
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